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Sechster Bericht der Antisemitismusbeauftragten.

6. Jahresbericht über die Arbeit der Antisemitismusbeauftragten NRW

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Sechster Bericht der Antisemitismusbeauftragten.

Beauftragte für die Bekämpfung des Antisemitismus, für jüdisches Leben und Erinnerungskultur stellt den sechsten Jahresbericht des Büros der Beauftragten vor und berichtet über die aktuelle Situation zum Antisemitismus in Nordrhein-Westfalen

Die Herausforderungen beim Thema Antisemitismus sind nach wie vor hoch: Im Jahr 2024 wurden für Nordrhein-Westfalen 695 antisemitische Straftaten erfasst, was im Vergleich zum Vorjahr (2023: 547) erneut eine signifikante Steigerung darstellt. Auch bei den gemeldeten antisemitischen Vorfällen unterhalb der Strafbarkeit gab es 2024 erneut einen deutlichen Anstieg von 664 Vorfällen im Jahr 2023 auf 940 im Jahr 2024.

Auch bundesweit  stiegen die antisemitischen Straftaten 2024 erneut an (+20,8 Prozent) und erreichen im Jahr 2024 mit 6.236 Fällen einen neuen Höchststand. Diese Entwicklung macht deutlich, wie groß nach wie vor der Handlungsbedarf bei der Bekämpfung des Antisemitismus ist. 

Sylvia Löhrmann, Beauftragte für die Bekämpfung des Antisemitismus, für jüdisches Leben und Erinnerungskultur: „Wir müssen uns vor Augen führen, was diese Zahlen konkret für die Menschen und für jüdisches Leben in Deutschland bedeuten: Wohnhäuser von Jüdinnen und Juden werden markiert und beschmiert, in jüdischen Restaurants werden Fensterscheiben eingeschlagen, Veranstaltungen mit jüdischem Kontext werden abgesagt. Kinder, Erwachsene sehen davon ab, sich als jüdisch zu erkennen zu geben – sie haben Angst. Auf den Straßen, an Universitäten, im Kulturbereich wird Antisemitismus offen artikuliert und propagiert; in sozialen Netzwerken kennt Judenhass keine Grenzen. Alle jüdischen Institutionen in unserem Land müssen rund um die Uhr polizeilich geschützt werden! Das ist skandalös, und damit dürfen wir uns nicht abfinden, und vor allem dürfen wir Jüdinnen und Juden damit nicht allein lassen.

Der Kampf gegen Antisemitismus ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe: Jede Bürgerin und jeder Bürger Nordrhein-Westfalens muss sich bewusst machen, dass Antisemitismus zu bekämpfen Arbeit an unserer Demokratie ist, um die Freiheit und die Vielfalt unserer Gesellschaft zu erhalten. Wir dürfen die von Professor Heiko Beyer in der 2024 veröffentlichten „Dunkelfeldstudie“ zum Antisemitismus in Nordrhein-Westfalen konstatierte „beunruhigenden Normalität“ des Antisemitismus in unserer Gesellschaft nicht hinnehmen!“

Besonders hervorzuheben ist die Situation an den Hochschulen: 2024 war ein signifikanter Anstieg von antisemitischen Vorfällen an Hochschulen und Universitäten in Deutschland zu verzeichnen. Diese Entwicklung spiegelt auch die Situation an nordrhein-westfälischen Hochschulen und Universitäten wider, wo jüdische Studierende und jüdische Dozentinnen und Dozenten persönliche Beleidigungen, Bedrohungen und Mobbing erleben mussten. Es gab aggressive propa-lästinensische Stimmungen und sog. „Protestcamps“. 
Die Beauftragte steht mit dem Leiter der Zentralen Anlauf- und Beratungsstelle und mit dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft in regelmäßigem  Austausch zur Lage an den Hochschulen und Universitäten in Nordrhein-Westfalen.

Sylvia Löhrmann empfiehlt, an allen Hochschulen und Universitäten Antisemitismusbeauftragte zu berufen, die Anlaufstellen für Betroffene von antisemitischen Vorfällen sind und Bildungs- und Sensibilisierungsangebote für Studierende und Hochschulpersonal zu den Themen Antisemitismus und Nahostkonflikt respektive israelbezogenem Antisemitismus anbieten sollen.

Soziale Medien spielen eine bedeutende Rolle bei der Verbreitung von Terrorpropaganda, Falschinformationen, Israelhass, Antisemitismus und Verschwörungsnarrativen und bei der Radikalisierung. Darüber hinaus werden sie von jungen Menschen zunehmend auch als primäre Nachrichtenquelle zu aktuellen politischen Ereignissen genutzt. „Wir brauchen deshalb mehr Medienkompetenzprojekte mit Fokus auf antisemitismuskritische Analyse sozialer Medien, Desinformation und Verschwörungserzählungen gerade für Jugendliche und Heranwachsende“, so die Beauftragte.

Der gemeinsame Bericht von Sylvia Löhrmann und ihrer Vorgängerin im Amt Sabine Leutheusser-Schnarrenberger beleuchtet antisemitische Vorfälle wie auch ergriffene Gegenmaßnahmen auf wesentlichen Handlungsfeldern der Landespolitik. Sabine Leutheusser-Schnarrenbergers Bilanz ihrer sechsjährigen Amtszeit: „Mir war die Einrichtung der Meldestelle Antisemitismus (RIAS) wichtig, um einen möglichst umfassenden Überblick über Antisemitismus zu erhalten. Strukturell leisten die Antisemitismusbeauftragten im Bereich der Justiz einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung über Antisemitismus und ermöglichen eine bessere Kommunikation mit den Betroffenen. Viele der geförderten Projekte zielen auf den Bildungsbereich und tragen zu einer sich ständig weiterentwickelnden Erinnerungskultur bei.“

Dazu erklärt Sylvia Löhrmann: „Die schon vorher gelebte, nun explizite Ausweitung der Amtsbezeichnung um die Bereiche „jüdisches Leben“ und „Erinnerungskultur“ stellt für mich eine zentrale und notwendige Ergänzung dar. Das Judentum war und ist konstitutiv für Deutschland – denken wir nur an die prägenden Beiträge jüdischer Persönlichkeiten in den Bereichen Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und auch Sport! Jüdisches Leben in all seiner Vielfalt sichtbar und erlebbar zu machen, kann einen wertvollen Beitrag im Kampf gegen Antisemitismus leisten. Aufklärung, Bildung und Begegnung sind dabei wichtige Handlungsfelder. Hier müssen die Anstrengungen verstärkt und systematisiert werden.“  

Der Antisemitismusbericht 2024 gibt auch einen Einblick in geförderte Projekte und lässt Betroffene wie Beteiligte zu Wort kommen.

„Uns ist wichtig, sichtbar zu machen, dass es in vielen Bereichen auch großes zivilgesellschaftliches Engagement im Kampf gegen Antisemitismus gibt und wollen dadurch weitere Akteure ermutigen, ebenfalls aktiv zu werden. Außerdem bedanken wir uns bei unserem Team sowie den vielen Mitstreiterinnen und Mitstreitern für ihre Unterstützung. 
Im Kampf gegen Antisemitismus sind wir alle, ist die gesamte Gesellschaft gefordert“, so Sylvia Löhrmann und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

Hintergrund
Seit dem 1. November 2024 nimmt Staatsministerin a.D. Sylvia Löhrmann das Amt der Beauftragten für die Bekämpfung des Antisemitismus, für jüdisches Leben und Erinnerungskultur des Landes Nordrhein-Westfalen wahr. Sie folgt damit auf Bundesministerin a.D. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die seit 6. November 2018 als erste Antisemitismusbeauftragte des Landes berufen wurde und das Amt zum 31. Oktober 2024 niederlegte. Auch Staatsministerin a.D. Sylvia Löhrmann übt das Amt ehrenamtlich aus.
Die Beauftragte für die Bekämpfung des Antisemitismus, für jüdisches Leben und Erinnerungskultur des Landes Nordrhein-Westfalen initiiert und koordiniert präventive Maßnahmen der Antisemitismusbekämpfung in Nordrhein-Westfalen und fungiert als Ansprechpartnerin für Opfer antisemitischer Übergriffe. Die Beauftragte legt dem Landtag jährlich einen Bericht über ihre Arbeit vor und empfiehlt darin Maßnahmen zur Bekämpfung des Antisemitismus in Nordrhein-Westfalen.

Der Jahresbericht der Beauftragten für das Jahr 2024 ist einsehbar unter https://www.antisemitismusbeauftragte.nrw

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